Über eBooks und die Urheberrechtsdebatte – ein Interview mit Dieter Hoffmann
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Die Buchbranche hat spannende Geschichten zu bieten, gerade abseits der großen Nachrichten. Dies soll auch das nachstehende Gespräch verdeutlichen, geführt mit Dieter Hoffmann vom noch jungen Verlag LiteraturPlanet über Vertriebsstrukturen im Buchhandel, eBooks und die Urheberrechtsdebatte.
Welche Formen des Vertriebs ihrer Werke wählen Sie momentan?
Direktbestellungen über unsere Website, direkte Ansprache ausgesuchter Buchhändler und kleinere Buchaustellungen und Messen. Außerdem arbeiten wir mit dem Sortimenter ‚LuuBooks’ zusammen, der sich auf kleinere Verlage spezialisiert hat.
Warum umgehen Sie die Großhändler KNV und Libri? Die Barsortimente beruhen auf dem Prinzip, dass Leser in eine Buchhandlung gehen und ein bestimmtes Buch bestellen. Diese Vorgehensweise passt nicht zu dem Sortiment eines kleinen, noch unbekannten belletristischen Verlages. Bücher werden nur bestellt, wenn der Leser etwas ganz Bestimmtes zu einem Thema sucht oder einen allgemein bekannten Buchtitel wünscht. Unsere Leser werden aber erst durch Stöbern, sei es in der Lieblingsbuchhandlung oder im Internet, auf uns aufmerksam. Außerdem stören uns natürlich die ausbeuterischen Konditionen, die Libri Verlagen und Buchhändlern auferlegt.
Wie sind sie bislang mit dieser Strategie gefahren?
Wir stehen noch ganz am Anfang und haben es erst mal sehr schwer, uns in der Buchbranche zu etablieren.
Was sehen sie grundsätzlich für interessante Möglichkeiten als Verlag seine Werke zu vertreiben?
Über den direkten Kontakt zur Leserschaft auf Buchausstellungen und -messen, aber auch über den Dialog mit den potentiellen Lesern im Internet.
Wie kann dieser Dialog im Internet konkret aussehen?
Wir versuchen, den Lesern über das Internet die Möglichkeit zu geben, sich direkt – auch gegenüber den Autoren – zu den Werken zu äußern: Also über ein Forum, wo die geistige Auseinandersetzung, die in einem Buch angefangen wurde, im Leser seine Fortsetzung finden kann. Zu Tina Reuters Roman „Waisen des Lebens“ haben wir eine Lesung mit Bildern und Musik auf youtube hochgeladen und hoffen auf Reaktionen.
Wie stehen Sie zu eBooks?
Grundsätzlich halte ich sowohl eBooks als auch Internetveröffentlichungen dann für besser als das gedruckte Buch, wenn es um die rasche Informationsentnahme geht. Das gilt insbesondere für Ratgeber- und manche Arten von Fachliteratur. Bei Werken, die das Lesen von A bis Z voraussetzen (Romane, philosophische Monographien etc.), stehe ich dem eBook noch skeptisch gegenüber, was aber auch schlicht an der eigenen Sozialisation über das Medium des gedruckten Buches liegen kann. Unabhängig von diesen geistes- und medientheoretischen Überlegungen bietet das eBook aber unbestreitbare ökonomische und ökologische Vorteile: Es spart Platz und schont die Wälder.
Was glauben Sie, sind die Herausforderungen der Buchbranche – und vor allem der Verleger – dieser Tage?
Die Verleger sollten offen darüber nachdenken, welche Inhalte zu welchem Medium passen. Dort, wo das eBook dem gedruckten Buch eindeutig überlegen ist, sollte man vorurteilsfrei auf die neue Technologie zugehen und sie weiterentwickeln. Außerdem müssen Wege gefunden werden, die durch das Internet und den preisgünstigeren Digitaldruck stark angestiegene Masse von Veröffentlichungen für die interessierten Leserkreise zu ordnen, ohne dabei neue Formen der Normierung und Kontrolle zu etablieren. Die persönliche Herausforderung für den Verlag LiteraturPlanet ist es, die hier vertretenen komplexeren Formen von Literatur mit den spezifischen Möglichkeiten der neuen Medien zu vermitteln. So gibt es auf unserer Website beispielsweise eine ‚Werkstatt’ mit Bildern und Erläuterungen zu den bei uns veröffentlichten Büchern sowie ein Forum, in dem sich Leser über die einzelnen Werke austauschen können.
Wo sehen Sie die Buchbranche in 10 Jahren? Wie sieht sie aus? Gibt es Sie überhaupt noch?
Unabhängig von meinen persönlichen Präferenzen, könnte ich mir gut vorstellen, dass vielleicht nicht in 10, wohl aber in 20 oder 30 Jahren gedruckte Bücher reine Liebhaberei sein werden. Letztlich geht es also nur darum, wie man zu dieser Entwicklung steht. Dazu ist zu sagen, dass die Medien, in denen geistige Produkte veröffentlicht wurden, sich über die Jahrhunderte immer wieder gewandelt haben. Darunter hat die geistige Produktivität der Menschheit keineswegs gelitten. Es hat immer wieder Wechselwirkungen zwischen geistiger Produktivität und den jeweiligen Veröffentlichungsmedien gegeben. Die spannende Frage ist daher, wie und ob sich die Form der geistigen Produktivität durch die neuen Medien verändern wird.
Was denken Sie über die geführte Urheberrechtsdebatte (Stichwort: Heidelberger Appell und Hamburger Erklärung)?
Bei der Urheberrechtsdebatte ist zu beachten, dass häufig zu wenig zwischen dem Urheber und dem Rechteinhaber unterschieden wird. Obwohl etwa viele Wissenschaftler an die Fachverlage Druckkostenzuschüsse zahlen müssen, gehen die Rechte an dem Werk an den Wissenschaftsverlag über. Hier könnten die Internetveröffentlichungen also eine befreiende Wirkung haben, indem der Urheber eines geistigen Produktes die Rechte daran behalten und sich so aus der Abhängigkeit von den Fachverlagen und -zeitschriften lösen könnte. Somit könnte das neue Medium zur Freiheit des wissenschaftlichen Diskurses beitragen, da dann auch außerhalb der relativ hermetischen scientific communities wissenschaftlicher Dialog ermöglicht würde.
Diese Überlegungen gelten analog auch für literarische Veröffentlichungen, da die großen Publikumsverlage ein stark normiertes Verständnis von Literatur haben: Sie muss marktkonform sein und einem bürgerlich-unpolitischen Literaturbegriff entsprechen. Da Letzterer auch von den Juroren bei den einschlägigen Literaturwettbewerben sowie von den meisten deutschen Literaturkritikern vertreten und vom Buchhandel kritiklos übernommen wird, kann man fast schon von einer strukturellen Zensur sprechen. Die fast schon hysterische Verteidigung des Mediums Buch erscheint vor diesem Hintergrund teilweise als geistige und ökonomische Besitzstandswahrung. Dies belegt nicht zuletzt die Unterzeichnerliste des Heidelberger Appells, die sich fast schon wie ein Who is Who des wissenschaftlichen und literarischen Establishments liest.
Ernst zu nehmen ist allerdings die Angst des Autors vor dem Verlust seiner Urheberrechte bei reinen Internet- oder eBook-Veröffentlichungen. Dies gilt vor allem dann, wenn Dritte wie beispielsweise Google an dem geistigen Produkt des Autors verdienen. Um dies zu verhindern, müssten selbstregulative Veröffentlichungsformen entwickelt werden, wie sie auf anderem Gebiet bereits von Wikipedia etabliert worden sind. Dabei könnten die Autoren je nach Votum und finanziellen Möglichkeiten der Nutzer ihre Einträge vergütet bekommen.
Dennoch gibt es bei Internetveröffentlichungen natürlich einen geringeren Schutz des geistigen Eigentums. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob geringerer Schutz nicht gleichbedeutend ist mit einer größeren Vielfalt des geistigen Diskurses. Im Wissenschaftsbereich leuchtet das unmittelbar ein, indem Diskurse ohne zeitliche Verzögerungen weitergeführt werden können, ohne dass man die Antwort auf eine These in der nächsten Ausgabe einer Fachzeitschrift abwarten muss. Aber auch im literarischen Bereich ergeben sich durch Internetveröffentlichungen neue Möglichkeiten des geistigen Austauschs. Vorausgesetzt, dass die Ursprungsversion des jeweiligen Werkes in irgendeiner Form zugänglich bleibt, erleichtert die Internetveröffentlichung das freie Spiel und den geistigen Dialog des Lesers damit.
Zu bedenken ist schließlich auch, dass für geistige Prozesse das dialogische Element schon immer konstitutiv war. So wurden etwa literarische Motive immer wieder neu aufgegriffen und variiert. Warum sollte es also im Netz nicht irgendwann einmal Cover-Versionen literarischer Werke geben – worüber sich in der Popmusik ja auch niemand aufregt? Widerstände gegen diese Form der Nutzung von Literatur sind meines Erachtens vor allem in dem immer noch verbreiteten Genie-Konzept begründet, in dem der Autor wie Moses erscheint, der als Mittler Gottes dem Volk seine heiligen Tafeln überreicht. Dementsprechend gerieren sich auch die großen Publikumsverlage als Gralshüter der ‚wahren’ Literatur. Wenn man sich allerdings vor Augen führt, wie qualitätsmindernd sich der selbst auferlegte Zwang zu Herbst- und Frühjahrseditionen auswirkt, wäre es gerade hier wünschenswert, die betreffenden Werke im Netz dem Prozess einer fortgesetzten Überarbeitung zu unterwerfen.
Herzlichen Dank für die Antworten!
Zur Person: Jahrgang 1962, Studium der Sprachen, Geschichte und Psychologie, mit neuerer Literaturwissenschaft habilitiert, ist Verfasser von Arbeitsbüchern zur deutschsprachigen Lyrik und Prosa und seit 2008 Kleinverleger. Mehr auf Wikipedia.
Zum Verlag: 2008 gegründet, Dieter Hoffmann und seiner Frau Frau betrieben; Sie arbeiten fest mit einer Druckerei und einem Grafik-Büro zusammen. Ziel ist es, anspruchsvolle Belletristik abseits vom mainstream anzubieten. Die Bücher werden als Hardcover-Bände mit dem Anspruch, gutes Layout zu bezahlbaren Preisen zu bieten, publiziert.